Ich denke gerade viel darüber nach, wie das alles kam mit mir und der Malerei. Wie ging das los? Und warum male ich so gern draußen in der Natur? Da schlägt mein Herz ja wirklich für; meine reduzierte Farbauswahl, meine Miniausrüstung, meine Begeisterung fürs Farbenmischen, das ist ja alles auf das praktische Motiv „ich bin unterwegs und will nicht so viel schleppen“ zurückzuführen. Hier ist Teil 1 der Geschichte.

Wie bin ich zum Malen in der Natur gekommen? Also um ehrlich zu sein, fing alles mit den Pferden an. Ich war nämlich ein Pferdemädchen. So richtig mit Hingabe und allem, aber ohne Pink und Bibi und Tina. Die kannte ich nicht mal. Ich mochte einfach Pferde sehr gern und das Draußensein bei Wind und Wetter. (Kurzer Einschub: Zwar war ich auch zuvor schon bei allen möglichen Witterungen draußen gewesen und ich weiß nicht, wie du das siehst, aber für mich zählt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule fahren nicht so als Naturerfahrung.) Bis kurz vor dem Abi hielt das an mit dem Reiten, dann kamen der erste und der zweite Freund usw. und das Abi – und die Trennung vom zweiten Freund … und der Umzug nach Berlin zum Studium. Da war es dann zwar nicht vorbei mit der Natur, weil ich mit meiner tollen Mitbewohnerin immer wieder raus ins Grüne gefahren bin, in den Ferien wandern war und einfach sowieso viel draußen war. Aber ich habe eben auch in der Großstadt gewohnt. Gemalt habe ich da übrigens noch nicht. Gewusst habe ich eine Menge über Architektur und Kirchengeschichte, weil ich von beidem in meinem bunten Magisterstudium ’ne Menge gelernt habe. Und von amerikanischer Landschaftsmalerei wusste ich dank eines prima Seminars in meinem Studium der Nordamerikanistik tatsächlich viel. Aber ich dachte nie, dass ich das auch machen könnte.

2004 ging ich für einen zweijährigen Master in Sozialwissenschaften nach Neuseeland. Mit mir zusammen kamen viele andere Studentinnen und Studenten aus Europa und wir haben automatisch eine Gruppe gebildet. Nur war ich die Einzige, die einen zweijährigen Master gemacht hat, die anderen waren nur 6 Monate oder maximal ein Jahr da. Das heißt, nach einem Jahr stand ich plötzlich ganz allein da: alle meine Freunde waren weg. Das war eine ganz schwierige Situation für mich. Eine liebe Freundin aus Schweden ermutigte mich (quasi während des Tschüßsagens), mir gerade in dieser traurigen Stunde was Gutes zu tun und mir selbst einen Wunsch zu erfüllen. Und das war zu dem Zeitpunkt dann doch schon das Malen gewesen. Keine Ahnung, wie ich mich innerlich dann dahin entwickelt hatte. Dass einige meiner europäischen Freundinnen Landschaftsarchitektur studierten und ständig irgendwas entwerfen und kolorieren mussten, kann damit was zu tun gehabt haben.

Ich war dann zwar allein und ohne Freunde in Neuseeland, aber dafür hatte ich einmal in der Woche privaten Malunterricht bei Lucy Mhoma. Und das war der Anfang. Lucy malt nicht gegenständlich, sondern assoziativ und expressiv. Und einfach wunderschön! Ich fing mit wasservermalbaren Ölfarben an, die ich immernoch sehr mag, und lernte von Lucy gestalterische Grundlagen und das 1×1 des Farbenmischens. Nebenher habe ich auch viel über das Leben von ihr gelernt. Wir sind gute Freundinnen geworden und sind es vermutlich noch, nur dass uns jetzt halt ein paar Kontinente trennen. Meine Bilder von damals waren nicht gegenständlich, sondern beschäftigten sich eher mit Farben und ihren Wirkungen. Maorisymbole wie der koru, der sich entwickelnde Farn, haben mich damals sehr angesprochen. Hier ein paar Beispiele davon:

Von Neuseeland ging es weiter nach Schottland für die Doktorarbeit in Soziologie. Für die Malerei war dann wieder Schmalhans angesagt, denn mein Zimmer in der Altstadt von Aberdeen war einfach viel zu klein. Und dann kam auch noch ein toller Mann in mein Leben, mit dem ich meine gesamte Freizeit in den Bergen verbracht habe! (Und der jetzt mein Mann ist.) Er hatte mich in den frühen Tagen unserer Beziehung regelrecht gedrängt, an den Wochenenden immer mit dem Verein mit in die Berge zu kommen, weil das doch so wildromatisch für uns zwei wäre. Naja, mit 10 anderen älteren Herren (von denen jeder einzelne dreimal so fit war wie ich, aber das nur am Rande) war es dann doch nicht so romantisch. Aber ich bin trotzdem immer mitgefahren, denn ich war sehr verliebt. Und ich mochte die Berge in Schottland. Endlich wieder bei strömendem Regen und meterhohem Schnee draußen sein! Wahnsinn, Naturerlebnis pur! Ich würde behaupten, dass mir das viele Draußensein mental bei meiner wissenschaftlichen Arbeit sehr geholfen hat. Ich war auch immer diejenige von uns Doktoranden, die am meisten gebräunt war. Sogar im Winter habe ich an den Wochenenden genug Sonnenstrahlen für meine körpereigene Vitamin-D-Produktion bekommen! (Dachte ich damals; heute weiß ich, dass ich da noch mindestens 40 Heringe pro Tag hätte essen müssen, um wirklich auf genug Vitamin D zu kommen.) Im Verein habe ich Jasmin Cameron kennengelernt, mit der mich von Anfang viel verbunden hat. Jasmin hat mir das Navigieren mit Karten und Kompass beigebracht und mir erst so richtig das Wesen der Berge gezeigt. Die Leere, die Weite, das hohe Alter der Cairngorms! Wie alte Damen und Herren liegen die Berge da faul rum. Mit Jasmin habe ich die Cairngorms einmal durchquert, viele andere Gipfel bestiegen und immer viel gequatscht, über alles Mögliche. Viel über das Leben und Arbeiten an der Uni. Nicht so viel übers Malen, das lag da ja gerade brach wegen Zimmergröße und Liebesbeziehung.

Außerdem verhielt es sich spätestens seit dem 5. Semester in Berlin so, dass ich am Schreibtisch saß, während andere das Leben und später in Neuseeland die Landschaft genossen. Das war mir durchaus bewusst, manchmal sogar schmerzlich. Damit ich beim Arbeiten nicht so von allem abgeschnitten war, habe ich meinen Schreibtisch auch immer gern vors Fenster gestellt. So konnte ich rausgucken beim Nachdenken und wenigstens ein bisschen teilhaben an allem. Einmal war es wirklich so, dass ich an meinem Schreibtisch auf dem Campus in Neuseeland saß und an einer Hausarbeit herumpfrimelte, während meine Freunde vor mir auf der Wiese Frisbee spielten. Da tat ich mir schon ein bisschen leid. Und das zog sich so fort. In Schottland war ich zwar öfter mal am Wochenende in den Bergen, was toll war. Aber da ging auch super viel Zeit für drauf. Das Ende vom Lied war dann meistens, dass ich spätestens am Dienstag alles bereut habe, weil ich mit der Arbeit hinterherhing. Den Freund wollte ich dann am liebsten die ganze Woche nicht sehen und all meine Zeit in die Arbeit stecken. Am Donnerstag fühlte ich mich dann schon wieder einsam und allein… Es war schwer, da ein gutes Gleichgewicht zu finden.

Als mein Stipendium in Schottland auslief, bin ich zurück nach Deutschland. Die Doktorarbeit war durchdacht und musste da „nur noch“ geschrieben werden. Genau wie damals in Neuseeland war ich auf einmal wieder allein, weil mein Freund auch zurück in die USA musste. In meiner Trübseligkeit hat mich diesmal meine Mutter daran erinnert, dass mir das Malen immer so viel gegeben hatte. Stimmt, da war doch was! Also habe ich mich zum Aktzeichnen an der Volkshochschule angemeldet. Ich wollte nämlich doch etwas besser zeichnen können, um doch mal gegenständlich malen zu können. An der VHS habe ich die Grundlagen des Aktzeichnens gelernt, und das heißt: Sehen lernen. Was für eine Schule! Ich habe immer noch große Stapel von Zeichnungen aus der Zeit, von denen ich mich einfach nicht trennen kann (die aber leider nicht digital vorliegen), und mit ihrer technischen Finesse hat das nichts zu tun. Ich habe damals richtig gemerkt, dass ich mich auf einer Lernkurve befand, und das war einfach prima. Ich bin eben ein Nerd! Mit Öl habe ich dann auch wieder gemalt, auch mit Gouache, aber nicht regelmäßig. Landschaft und Stillleben waren immer meine bevorzugten Genres. Im Nachhinein finde ich, dass all meine Bilder aus der Zeit wie Stillleben aussehen, nämlich echt still. Und so war mein Leben ja auch auf langen Strecken gewesen, zumindest in der Innenansicht.