Ich rede hier öfter mal vom urban sketching und vielleicht liest du auch woanders mal davon, aber was ist das eigentlich? Diese Woche gebe ich in fünf Beiträgen eine fünfteilige Antwort darauf:

  1. Wo kommt es her und warum gibt es urban sketching?
  2. Was macht urban sketching so besonders?
  3. Welche Techniken gibt es im urban sketching?
  4. Welche Künstler sind „Aushängeschilder“ fürs urban sketching und wo kann ich mehr erfahren?
  5. Was unterscheidet Urban Sketching von der Freiluftmalerei oder dem Malen en plein air?
Typische Seite aus einem Urban Sketching-Buch: Straßenansicht plus Autos plus Menschen plus Schrift. Hier aus meiner Heimatstadt Brandenburg an der Havel.

Was heißt „urban sketching“?

Urban sketching heißt wörtlich übersetzt „städtisch skizzieren“, besser „Skizzieren in der Stadt“. Gemeint ist damit, dass die Künstlerin mit ihrer Mini-Ausrüstung fürs Unterwegsmalen an einer Straßenecke, auf einem Platz, vor einem Denkmal, in einem Park oder sonstwo sitzt oder steht und nicht nur das schöne Motiv dort vor Ort, sondern auch die Energie und das Leben im Moment einzufangen versucht. Wenn ich Leben sage, dann meine ich: die Menschen, die in der Szene herumlaufen, – rennen oder fahren, skizzieren, und wenn ich Energie sage, dann meine ich: schnell das Wesentliche erfassen. Schnell zeichnen gehört meines Erachtens zum Urban Sketching dazu. Die meisten Urban Sketcher benutzen Aquarellfarben zum Kolorieren ihrer Skizzen.

Wo kommt das Urban Sketching her?

Aus den USA. Der Journalist und Illustrator Gabriel Campanario begann in den frühen 2000er Jahren, seine Stadt Seattle für eine Kolumne bei The Seattle Times zu skizzieren. Stadtteile, die durch neue Straßen vom Rest der Stadt abgeschnitten sind und langsam verkommen, Straßenzüge, die bald abgerissen werden, Stadtfeste, Wahrzeichen – all diese Dinge und vieles mehr halten die Mitglieder der Urban Sketcher-Szene fest. Seit 2009 ist Urban Sketchers in den USA ein eingetragener Verein, und in (fast) jeder Hauptstadt auf der Welt und in den größeren Städten gibt es eine Urban Sketchers-Vereinigung. Das Motto der Urban Sketcher-Bewegung ist kurz zusammen gefasst „zeige die Welt, Zeichnung für Zeichnung“.

Bild aus dem „Sketching water“-Workshop mit Gabi Campanario in Friedrichstadt im Juli.

Warum gibt es Urban Sketching?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Wichtig ist das Zeichnen direkt vor dem Motiv. Die Künstlerin schult dabei ihre Fähigkeiten des Sehens und nach nur kurzer Zeit sieht sie dann die Welt mit ganz anderen Augen. Aber das ist nicht alles. Urban Sketching kann auch so eine Art gezeichnete Reportage sein. Jede Sketcherin zeichnet die Welt so, wie sie gerade ist und legt damit Zeugnis ab im Sinne von „so leben wir hier in einer norddeutschen Kleinstadt (oder so) zu Beginn des 21. Jahrhunderts“. Die Sketcherin Suhita Shirodkar hat beispielsweise die alten Straßenschilder in ihrer Stadt (San Jose) gezeichnet, weil sie bemerkt hat, dass sie langsam abgebaut werden. Damit verschwindet dann eine ganz bestimmte Art von kulturellem Symbol aus dem Bild der Stadt.

Straßenschilder in San Jose, gemalt von Suhita Shirodkar.

Occupy Wall Street und ähnliche Protestbewegungen wurden und werden von Sketchern gezeichnet und somit für die Zukunft dokumentiert. Das Feuer in Notre Dame de Paris im April diesen Jahres wurde auch von einigen Sketchern bildlich festgehalten.

Gabi Campanario hat diesen Sommer im Workshop noch einen weiteren Aspekt betont: Urban Sketching ist eine Methode, sich die Welt zu erschließen. Statt einfach nur das zu malen, was schön ist, fordert er eine Auseinandersetzung mit dem Gemalten im Sinne von „was ist das eigentlich für ein Baustil? Ist er typisch für die Gegend und die Epoche?“ und dergleichen. Bei Vegetation solte man ähnliche Fragen stellen, also nicht nur einen Baum (beispielsweise) zeichnen, sondern auch lernen, um was für eine Baumart es sich handelt etc.