Ich habe als Urban Sketcherin mit dem Aquarellmalen angefangen, beherrsche die Techniken des Urban Sketching und mache hier und da mal einen sogenannten ‚urban sketch‘. Aber eigentlich schlägt mein Herz für die Freilichtmalerei, oder für das Aquarellieren en plein air, an der frischen Luft. Dieser französische Terminus hat sich als internationale Bezeichnung für die Freiluftmalerei durchgesetzt. Ich liebe das Malen aus direkter Beobachtung heraus, und weil ich so gern an der frischen Luft bin, macht mich das plein air-Aquarellieren immer besonders froh.*

Ich in der Apfelplantage diesen Sommer: froh und glücklich war ich!

Es ist einfach so wunderbar, einfach durch das Dasein Teil dessen zu werden, was ich anschaue und male. Die Gerüche, die Geräusche, der Wind – das ist alles immer zauberhaft, sogar, wenn es kalt ist! Kälte ist für mich jetzt schon echt ein Thema. Gestern früh war ich ganz kurz draußen um zu testen, ob ich an der frischen Luft malen kann oder mir ein Motiv suchen muss, das vom Auto aus erfasst werden kann. Ich habe mich für letzteres entschieden, war aber wenigstens draußen an der Stelle am Kanal, wo ich früher mit einer Freundin oft spazieren war, und habe die Luft geschnuppert. Habe mich kurz geerdet und eingenordet für den Tag und diese Stelle. Und dann habe ich mir vom Auto aus dieses Motiv gesucht:

Erbstorf, an der Bahn nach Bleckede.

Ich kann als plein air-Malerin alle Motive draußen malen und bin nicht so sehr an das städtische Motiv gebunden. Ich mag Landschaften und tendierte daher auch früher schon immer eher zum ‚rural sketching‘, also dem ländlichen Skizzieren. Als Freilichtmalerin nehme ich mir einfach das Motiv, das mir am meisten Spaß macht. Basta.

Vom Urban Sketching habe ich das genaue Sehen und die Schnelligkeit beim Zeichnen gelernt. Ich kann also relativ rasch eine Szene erfassen und eine Bleistiftvorzeichnung anlegen. (Das hilft bei Kälte: nur keine Zeit verschwenden!) Die Zeichnung ist aber wirklich nur ein schwaches Gerüst für mein Bild; anders als beim Urban Sketching versuche ich nicht, Tonwerte oder Formen schon in der Zeichnung anzudeuten. Schraffuren haben da auch nichts zu suchen. (Wobei sie mir manchmal rausrutschen.) Das macht dann die Farbe, bzw. das mache ich mit der Farbe.

Hof in Erbstorf. (Plein air) 21 x 29, 2017.

Urban Sketcher geben die Welt laut ihrem Manifest wahrheitsgemäß wieder. Das mache ich als Aquarellmalerin draußen nicht. Wenn ich ein Motiv gefunden habe, das mich anspricht, und mir da aber ein Baum an genau der falschen Stelle steht, dann lasse ich ihn weg. Oder ich ergänze einen Baum, wenn mir in der Komposition einer fehlt. Mein Ziel ist es, ein ausdrucksstarkes Aquarellbild zu erschaffen und eben nicht nur die Welt abzubilden. Dafür kann ich Fotos machen.

Dieses Bild ist zum Beispiel aus zwei verschiedenen Ansichten zusammengesetzt; das Schild steht an der günstigsten (m.E.) Stelle. Da war schon ein Schild vor Ort, es stand nur ganz woanders.

Was gilt als plein air-Aquarell?

Für viele Urban Sketcher gilt nur eine Skizze, die komplett vor Ort entstanden ist und später nicht noch einmal angerührt wurde, als ‚urban sketch‘. Diese etwas streng anmutende Ansicht teilen viele plein air-Maler: nur ein komplett draußen fertig gewordenes Bild darf mit dem Attribut ‚plein air‘ versehen werden. Ich bin da weniger streng und würde auch ein Bild, das zu 70 % draußen entstanden ist und dann zu Hause den letzten Schliff gekriegt hat, als plein air-Bild bezeichnen. Und ganz ehrlich: wer möchte die kleinen Ästchen in einem Landschaftsbild schon draußen vor Ort, wo es etwas unbequem ist, in langsamer Detailarbeit mit dem Linierpinsel, der nur drei Häärchen hat, einsetzen? Ich nicht. Ich mache so etwas am Abend, während ich Podcast höre, und zwar entweder aus der Erinnerung oder vom Foto.

Dieses plein air-Bild aus dem Februar dieses Jahres enthält genau solche kleinen Ästchen. Die habe ich zu Hause ergänzt, der Rest war vor Ort fertig.

Ganz tolle plein air-Aquarellisten sind unter anderem:

Leider kenne ich nur wenige deutsche Plein air-AquarellmalerInnen. Sonja Jannichsen gehört auf jeden Fall in diese Kategorie, wenn man das auf ihrer Webseite auch so nicht heraus-sehen kann.


*Ein neckisches Stillleben macht mich natürlich nicht weniger froh – und erfreut demnächst vielleicht auch Dich! Am 17. Januar biete ich einen Stillleben-Workshop in Lüneburg an. Hier findest Du alle Infos: Stillleben-Workshop