Malen, lernen, lachen, klönen – das ist meine Onlinemalgruppe am Montag, und ich liebe sie! Seit dem ersten Lockdown malen wir zusammen. Ich lege ein Monatsthema fest und suche Bildmaterial dazu, das uns als Vorlage dienen kann. In den zweistündigen Malsitzungen besprechen wir am Anfang ca. 20 Minuten lang gemeinsam das Motiv und überlegen, welche Herausforderungen es stellt. Dann fangen wir an zu arbeiten. Eine Kamera ist dabei auf meinen Arbeitsplatz gerichtet, so dass KursteilnehmerInnen immer gut erkennen können, was ich mache. Zum Schluss besprechen wir die Arbeiten der TeilnehmerInnen, und am nächsten Tag bekommen alle eine Aufzeichnung des Onlinemalens zugeschickt, so dass sie mit ein wenig Anleitung das Motiv fertigstellen oder einfach noch einmal in Ruhe Dinge ein zweites Mal anschauen können.

Im Monat Juni haben wir uns in der Online-Malgruppe mit dem Thema „Spiegelungen im Wasser“ beschäftigt. Das Schwierige bei Spiegelungen sind einerseits die nass-in-nass gemalten Bereiche im Wasser, in denen sich das Ufer spiegelt. Die zweite Herausforderung sind die Strukturen der Wellen, die eine spezifische Abfolge von hellen und dunklen Formen darstellen.

Beim ersten Motiv gab es in der Vorlage nur sehr wenige Wellen im Vordergrund; da das Motiv auch ohne diese Wellen vollständig schien, habe ich sie weggelassen. Somit war das erste Motiv eine sehr gute Übung für die erste Schwierigkeit bei Spiegelungen, für die Spiegelung der Landschaft am Ufer im Wasser.

Der Tonwert der Spiegelung einer weit entfernten Landschaft ist generell ein wenig heller als im Original. Farbmischungen aus den Farben, die zuvor für die Berge und Bäume verwendet worden waren, tauchen deswegen im Wasser wieder auf. An der Uferkante kann man meist einen dunklen Bereich erkennen, so dass die Spiegelung zumeist – vom Ufer weg gesehen – von dunkel nach hell verläuft. Die Form der Spiegelung entspricht ungefähr der Konturlinie der Berge. Da ich hier aber mit sehr viel Wasser gearbeitet habe, ist die Form der Spiegelung nur eine Annäherung an die Form der Landschaft. Wichtig war es, dunklere Bereiche in der Landschaft auch dunkler im Wasser erscheinen zu lassen und umgekehrt. Die hellen Häuser mussten also auch im Wasser hell sein. Teilweise habe ich die Bereiche freigelassen, teilweise habe ich im halbtrockenen Zustand ein wenig der zuvor aufgetragenen Farbe heruntergenommen, um den richtigen Helligkeitsgrad zu erreichen. Kleine Wellen habe ich ganz zum Schluss mit dem Flachpinsel herausgewaschen. Während des Malens gefiel es mir, die Spiegelung mit Cyan und Türkisgrün ein wenig blauer erscheinen zu lassen. So hat das gesamte Motiv ein Urlaubsflair bekommen, das ich so in der Vorlage nicht empfunden hatte.

Das zweite Motiv des Monats war eine Gruppe von Graugänsen. Eine erwachsene Gans schwimmt rechts vorne, dann folgen die Küken und den Abschluss bildet die zweite erwachsene Gans. Die Vögel sind an einer Diagonale aufgereiht. Oberhalb ist das Wasser relativ glatt und es spiegelt sich die Vegetation am Ufer darin. Dieser Bereich liegt fast homogen im mittleren Tonwertbereich, nur die Farbe variiert. Der Bereich unterhalb der Gänse ist hingegen überwiegend hell. Die Helligkeit wird „nur“ (haha) von einigen dunklen Wellentälern unterbrochen.

Den oberen Bereich habe ich nass-in-nass gemalt. Um die vertikale Spiegelung der Bäume am Ufer gut und schnell darzustellen, habe ich die Farbe tatsächlich in Streifen – allerdings in horizontal aufgetragenen Streifen, denn die Malrichtung spielt eine Rolle – aufgetragen. Die Streifen sind sofort ineinander gelaufen. Für eine noch bessere Vermischung der Streifenformen habe ich im feuchten Zustand horizontale großzügige Pinselbewegungen mit Neutralfarbe und Perylengrün ausgeführt, so dass es auch zu horizontalen Vermischungen kam. Für die Formen der Wellen habe ich mich an der Vorlage orientiert; teilweise hängen einige dunkle Formen in bestimmter netzartiger Weise miteinander zusammen, teilweise ließen sich die Wellentäler mit einer einfachen Pinselbewegung andeuten. Der Tonwert musste dunkel genug sein. Für einen besseren Zusammenhalt im hellen Bereich habe ich zum Schluss noch eine verdünnte rotbraune Lasur aufgetragen.

Das dritte und letzte Motiv der Serie stellt eine Szenerie in Chioggia, Italien, dar. Chioggia ist die kleine Schwester von Venedig und liegt in derselben Lagune. Alles, was Venedig zu bieten hat, gibt es dort auch, nur auf kleinerem Maßstab. Ich wollte unbedingt die Spiegelung eines Bootes malen; in diesem Motiv ist die Architektur (allerdings) so interessant, dass das Boot nicht unbedingt im Fokus zu stehen scheint. Ein wenig perspektivisches Sehen und Zeichnen waren notwendig für die Gebäude am Ufer des Kanals, aber nicht nur da. Auch in der Wasserspiegelungen werden die Regeln der Perspektive grob eingehalten.

Ein Test-Bild vor dem Treffen mit der Gruppe.
Ein Ausschnitt aus dem fertigen Bild.

Das gesamte Bild wurde mit einer Geisterwaschung grundiert. Das bedeutet, dass mal in der ersten Schicht Licht- und Schattenbereiche festlegt. Lichtbereiche bleiben hell oder werden ein wenig eingetönt, Schattenbereiche werden mit einer zarten Lasur blau oder grau angelegt. Eine Geisterwaschung erhöht den Zusammenhang aller Bildteile. Im Lichtbereich oben habe ich das linke Haus etwas gelblich lasiert und das korallenfarbene ein wenig orange. In den Bereich des Wassers hinein habe ich mit Ockergelb gearbeitet, in den Vordergrund hinein dann mit Ultramarinblau.

Die sich spiegelnden Objekte habe ich jeweils in der Lokalfarbe plus Ultramarinblau angelegt. In der Spiegelung des Bootes und der dunklen Fensterfüllungen war etwas Grün zu sehen, das vermutlich auf die Wasserfarbe zurückgeht. In den Vordergrund hinein wurden die Farben immer dunkler. Die Schatten sind fast schwarz. Die Schattenfarben habe ich durch das Mischen von Ultramarinblau und Umbra gebrannt erzeugt; für die extrem dunklen Schatten im Vordergrund habe ich etwas Neutralfarbe hinzugefügt.

Für mich sind die verwackelten Spiegelungen der dunklen Fenster und des Schattens unterhalb des Simses, der sich auf halber Höhe am Haus entlangzieht, die wahren Juwelen in diesem Bild. Sie sind so charakteristisch verzogen, dass sofort der Eindruck von Wellen entsteht. Um den noch ein wenig zu verstärken, habe ich zum Schluss den unteren Bereich gewässert und mit Ultramarinblau diagonale Striche ins Nasse gesetzt. Die hellen Striche im Wasser habe ich mit Gouache ergänzt.

Tja, was soll ich sagen, es gehören schon ziemlich viele Arbeitsschritte zum Malen von Spiegelungen! Das ist natürlich vollkommen ok, finde ich. Und es hat so großen Spaß gemacht! Falls Dir das interessant scheint und Du auch mal Lust auf Spiegelungen hast – im August gibt es zu diesem Thema drei Malabende, und zwar am 3., 17. und 31.

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