Am vergangenen Wochenende habe ich einen Workshop der Malerin Anke Gruss besucht. Dabei sind mir wichtige Gestaltungsprinzipien klar geworden, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Mir geht es eigentlich fast immer um Umsetzungsfragen, also um das technische know-how. Ein Problem, das mich in letzter Zeit beschäftigt und über das ich hier und da auch mal ein wenig geschrieben hab, ist eigentlich die Komposition des Bildes. Wie komme ich an den Punkt, dass ich einen spannenden Bildaufbau habe und nicht einfach nur das, was da draußen entweder direkt vor meiner Nase oder auf einem Foto ist, abmale? In den (zumeist englischsprachigen) Büchern zur Landschaftsmalerei wird an dieser Stelle häufig von der ‚Interpretation‘ der Vorlage gesprochen. Was heißt das? Was umfasst so eine Interpretation? Und wie nehme ich sie vor?
Mit solchen Fragen bin ich in den Workshop gegangen. Methodisch hatte ich mir überlegt, mal an einem Thema etwas länger dran zu bleiben, um so vielleicht einfacher zu Antworten zu kommen. Wenn ich ständig vom Stilleben zu Sonnenuntergängen zu Alltagszenen springe, bin ich sicher etwas abgelenkt, dachte ich mir. Eine Kursteilnehmerin ermunterte mich, mich längere Zeit nicht nur mit einem Thema, sondern sogar mit nur einem Motiv zu beschäftigen. Das mache sie immer so. Fand ich aus genannten Gründen überzeugend. Hier ist mein Motiv:
Ich habe mich insgesamt 12 Stunden mit diesem Bach beschäftigt. Um es vorweg zu nehmen – es hat sich gelohnt! Die Vorgehensweise, die ich praktiziert habe, ist eine Interpretative. Das wurde mir aber erst hinterher klar. Sie stellt auch ein Ideal dar; ich glaube, im Künstleralltag werden viele dieser Schritte weggelassen. Und es arbeitet eh nicht jeder nach diesem Schema. Für mich funktioniert es aber sehr gut.
1. Schritt: Tonwertstudie
Ich habe mir zuerst einmal überlegt, welchen Bildausschnitt von der Vorlage ich wählen möchte, also was ich weglassen will. Dann habe ich eine dementsprechende Miniskizze, auch thumbnail sketch genannt, angefertigt. Im Prinzip habe ich mich entschlossen, den gesamten Vordergrund des Referenzfotos wegzulassen. Der Mittelgrund des Fotos wird mein Vordergrund, der Waldboden oberhalb des Baches mit den Bäumen mein neuer Mittelgrund und das Blätterdach mit Lichtflecken mein Hintergrund. Als die Miniskizze fertig war, habe ich überlegt, was für eine Lichtregie sich hier anbietet, also wo die hellen, wo die mittleren und wo die dunkeln Stellen oder Tonwerte im Bild sind. Das habe ich dann in ganz vereinfachter Form noch einmal in einer kleineren Skizze festgehalten. Dabei habe ich mich noch sehr eng an die Vorlage gehalten.
2. Schritt: Vereinfachte Skizze
Um das Motiv „besser kennenzulernen“ und um zu überprüfen, ob die Grundidee tragfähig ist, habe ich dann eine größere Kohleskizze (ca. A4) auf beigem Ingrespapier gemacht. Ich empfand die Grundidee als machbar und interessant. Die Lichter sollten der rechten Bilddiagonale folgend angeordnet sein und den Betrachter so ins Bild reinziehen.
3. Schritt: Vorstudie Reflektionen
Die farbigen Lichtflecken auf dem Bach haben mich am Original besonders fasziniert. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, wie ich die umsetzen sollte. Reflektionen sind im Allgemeinen nicht so mein Problem, ab diese Lichtflecken sind ja auch mehr als einfache Reflektionen. Wenn man sich das Referenzfoto genau anschaut, erkennt man, dass die orangenen Flecken eigentlich Reflektionen im tiefen Wasser sind – wahrscheinlich auf dem sandigen Boden des Baches, die hellen hingegen auf der Wasseroberfläche. Das wollte ich erst einmal auseinander dividiert bekommen. Also habe ich nur den Teil mit den Lichtflecken in Gouache aufs Papier gebracht. Das lief nicht wirklich gut, weil ich nur die Schulgouache dabei hatte. Aber dieser Schritt war trotzdem sinnvoll. Erstens wurde mir klar, dass das sonnenbeschienene Ufer rechts eigentlich kein besonders sinnvolles Bildelement ist und deswegen nicht so viel Platz braucht. Es brauch tauch nicht so hell zu sein, das lenkt eher ab. Ich habe mich daher anhand dieser Vorstudie entschieden, das sonnige Ufer zu verkleinern. (Ist das Interpretation?) Zweitens wurde mir schnell klar, dass ich nicht klar rüberbringen kann, warum einige der Lichtflecken im Wasser orange sind und andere nicht. Das heißt, dieser Teil des Fotos ist ein bisschen unnütz, weil es im Bild keinen Sinn ergibt, jedenfalls nicht, wenn ich die Flecken male. Entweder lasse ich die Flecken einfach nur hell oder ich male eben mehrfarbiges Licht, dachte ich mir so. Damit war ich am Ende des ersten Tages angekommen.
4. Schritt: Narrative Interpretation
In der Besprechung meiner Gouache-Studie fragte Anke mich, welche Geschichte ich eigentlich erzählen will mit diesem Bild. Will ich eigentlich eine Geschichte erzählen, fragte ich mich dann selbst erst einmal. Eigentlich nicht, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Was nämlich eher gemeint ist, ist „wie soll der Betrachter durch das Bild wandern, wozu lädst du ihn ein“. Anke schlug vor, den Bach nach hinten zu verlängern und durch den Wald schlängeln zu lassen. Ich würde so den Betrachter in die Bildtiefe hineinnehmen. Damit würde sich auch die Lichtregie entwas verändern. Das hellste Licht wandert dann zum Horizont an genau den Punkt, wo der Bach sich auch hinbewegt. Das habe ich dann erst einmal in einer Skizze ausprobiert. Und siehe da: es könnte klappen!
5. Schritt: Untermalung in Öl auf Leinwand
Dann ging ich endlich in die Farbe, juhu! Wobei sich die Farbe erst einmal auf Umbra gebrannt und Ultramarine beschränkte. Mit diesen beiden Farben habe ich eine Untermalung in den Tonwerten, die ich in der letzten Vorstudie festgelegt hatte, angefertigt. Die war nicht so genau, wie sie eigentlich sein sollte; alle möglichen Bäume, die gar nicht nahe am Wasser stehen, spiegeln sich darin. Zum Glück fiel mir das später noch auf. Die Leinwand war naturgetönt (von Honsell), das heißt, dass die nicht bemalten Stellen nicht so grell weiß waren wie bei einer grundierten Leinwand.
6. Schritt: Fertiges Ölbild
Bis zum fertigen Bild hat es dann noch einige Stunden gedauert. Ich war aber sehr zufrieden mit dem Prozess, denn so, wie er hier unter Anleitung gelaufen ist, war er wirklich sehr kreativ! Ganze Bildelemente wurden ergänzt, das Licht wurde verändert. Eigentlich ist das Foto wirklich nur eine grundlegende Anregung. Ich hätte es sogar zur Farbgebung ignorieren und meine eigenen Farben wählen können, also beispielsweise sehr orangenes Laub malen und damit einen Herbstwald darstellen können. Solange die Tonwerte stimmen, ist so ein Bild dann auch glaubwürdig.
Interpretation ist mehr als einfach nur hier mal ein Ästchen und da mal einen Busch wegzulassen oder eben die Größe eines Hochufers zu verringern. Bei der Interpretation handelt es sich um die Schaffung einer Bildszene, die es so vielleicht nicht wirklich gibt und die gezielt eine bestimmte Stimmung ausdrückt. Mir ging es bei diesem Wald um das geheimnisvolle Licht in der Ferne.
Sehr anschaulich erzählt und sehr informativ! Danke für diesen Beitrag!
Sehr gerne; es freut mich, dass Du es anschaulich findest! Ist immer gar nicht so leicht, sich klar zu machen, welche Schritte so dazugehören. Für mich ist es immer wieder super wichtig, mich daran zu erinnern.
Ja, das sollte ich auch machen… Sich klar werden, was man da eigentlich so macht.
Bis bald – Ich hoffe, bald wieder was Schönes von Dir zu entdecken!
Und ich bei Dir – Deine Zeichnungen sind ganz bezaubernd! Schön, dass ich Deine neuen Blogeinträge jetzt auch immer gleich lesen kann. LG, Antje.
Hallo Antje, ich habe dich für den Liebster-Award nominiert.
Wenn du die Nominierung annimmst, beantworte bitte die fünf Fragen, die ich auf meinem letzten Eintrag hier https://olgareiff.wordpress.com/2015/10/31/danke-fuer-die-nominierung-zum-liebster-award/
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