Nun male ich seit fast 30 Tagen jeden Tag einen Baum oder einen Teil eines Baumes. Was hat sich ereignet? Welche Früchte trägt dieses Projekt? Was ist der Sinn daran?

Ich finde es etwas schwer, diese Fragen genau zu beantworten. Denn ich fühle mich so pudelwohl mit diesem Fokus auf Bäume, dass meine Nachdenken-Wollen ins Leere läuft. Ich sitze quasi sehr zufrieden und blödsinnig grinsend da, freue mich über alle Bäume, die ich schon gemalt habe und erwarte freudig all die Bäume, die da noch kommen werden. Die Zeit aufzubringen für eine kleine Skizze fällt mir nicht schwer, im Gegenteil. Die Zeit mit meinem Skizzenbuch ist vollkommene Entspannung und einfach nur Genuss. Ich hinterfrage gar nicht den Sinn meines Skizzierens. Ich weiß, dass das Malen von Bäumen für mich genau das Richtige ist. Hier und da entsteht auch ein größeres Baumbild, darüber freue ich mich dann noch viel mehr. Aber ist das das Ziel des Projektes gewesen? Hm, eigentlich nicht.

Die Entscheidung für dieses 100-Tage-Projekt zum Thema Bäume ist eigentlich sehr spontan gefallen. Klar denke ich seit geraumer Zeit über Wurzeln nach, weil sie einen Teil meines Wort des Jahres bilden. Und ich hatte auch sehr schöne Walderlebnisse letzten Herbst, als ich so krank war. Ich wusste natürlich auch, dass meine Oma Bäume liebte und ich mit ihr zusammen viele „tree appreciation walks“ gemacht hatte. Trotzdem fiel die Entscheidung sehr schnell: an einem Tag habe ich eine Podcastfolge über ein 100-Tages-Projekt gehört und am nächsten Tag habe ich mich entschieden „alles klar, ich mache das jetzt“.

Dass meine Liebe für Bäume schon viel älter ist, habe ich dabei völlig vergessen! Und dass ich Bäume schon einmal zum Fokus meiner Malerei machen wollte, auch.


Als ich vor 11 Jahren aus dem Ausland zurück nach Deutschland kam, habe ich mich unglaublich auf unsere Wälder gefreut. Als ich einige Jahre später ernsthaft mit dem Malen anfing, da wusste ich schon, dass das Entwickeln einer Personenmarke wichtig ist und dass es einfach gut funktioniert, wenn man die Malerin ist, die x macht. Also bspw. die so schön Meer malt oder so herrlich Heidebilder oder so überzeugende Himmel oder was weiß ich. Das prägt sich ein und lässt sich im Hirn leicht abrufen. Im Gespräch zwischen zwei Leuten heißt es dann einfach „na du weißt doch, das ist die, die immer so x malt“. Ich fragte mich damals, was mich ernsthaft genug begeistert, um daraus eine Personenmarke zu machen, und die einzige Antwort, die mir einfiel, war: der Wald.

Naja, und das war’s. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dieser Einsicht anfangen sollte, weil ich nicht wusste, wie ich mehr als einen Baum malen sollte. Meine Technik war einfach nicht ausgereift.

Eine Zeitlang war ich immer noch ein wenig wehmütig, wenn ich wieder mal Felder und Himmel oder Häuser gemalt habe, das weiß ich noch. Dann habe ich vergessen, dass ich Wälder zu meinem Thema in der Kunst machen wollte. Ich habe es so sehr vergessen, dass sich der Gedanke vor einem Monat „ich male 100 Tage lang jeden Tag einen Baum“ tatsächlich völlig neu und aufregend anfühlte!

Dabei unterschlage ich vor mir selbst (!) zum wiederholten Mal ein kleines Projekt aus dem letzten Jahr, bei dem ich im Wald gemalt und mich dabei gefilmt habe. Mit dem Material habe ich bisher nichts gemacht, was schade ist, und das gesamte Erlebnis ist für mich sehr mit dem Gefühl des Scheitern verbunden. Unsere Psyche ist ja immer darauf aus, uns zu schützen, und meine will mich vor dem schlechten Gefühl des Gedankens „da hast du ein Projekt angefangen und nicht zu Ende geführt“ bewahren. Also vergesse ich es.


Was lerne ich daraus? Vor 10 Jahren war nicht die richtige Zeit für Bäume und letztes Jahr auch nicht. Jetzt ist die richtige Zeit für mein Bäume-Mal-Projekt. Jetzt entstehen nicht nur die kleinen Skizzen, sondern auch große Bilder. Alles zugleich und alles mit viel Freude. Vor 10 Jahren besaß ich keine technischen Fähigkeiten, um meine Liebe zu Bäumen und Wäldern in der Kunst umzusetzen. Letztes Jahr fehlte mir ein wenig Seele, würde ich sagen. Zu keinem Zeitpunkt brauchte ich bisher ein umfassendes Projekt wie dieses 100-Tage-Projekt; ich hätte es gar nicht verkraftet, mich so lange zu binden. Ich wollte immer wieder weiter, meine Fähigkeiten mit der Aquarellfarbe verbessern und neue Sujets erproben. Von Architektur ging es zur menschlichen Figur und dann in alle möglichen speziellen Unterthemen: Spiegelungen im Wasser, Himmel und Wolken, Tiere etc. Natürlich wurde ich immer besser. Gleichzeitig setzte ich mich enorm unter Druck, erfolgreich sein zu müssen mit meiner Kunst. An genau dieser Stelle fehlte die Seele.

Damit meine ich, dass ich nicht genau wusste, weil es mich auch nicht interessiert hat, was mich beim Malen glücklich macht. Nun weiß ich es, und es sind – Bäume. Ich habe nur ein wenig Zeit gebraucht.

Deswegen sitze ich schon wieder grinsend und zufrieden hier. Wenn Du das auch willst, dann überlege doch mal: Welches Motiv oder welche Motivart macht Dich immer glücklich? Anders gefragt: Was könntest Du einige Zeit lang jeden Tag malen, ohne dass Dir langweilig wird? Wenn Du darauf jetzt keine Antwort weißt – Du darfst Dir ganz viel Zeit nehmen, eine zu finden.