In der neuen Podcastfolge geht es um Zuschreibungen zu Künstlern. Wie werden sie wahrgenommen? Was gibt es für Stereotype? Denn diese spielen eine Rolle in der Selbstpositionierung als Künstlerin. Was handele ich mir eigentlich ein, wenn ich sage „ich bin Künstlerin“?

Anlass zum Nachdenken darüber war ein Spaziergang mit einer Freundin vor ein paar Wochen. Wir haben – auf Abstand – viel geredet und es war ein sehr schöner Nachmittag. Gegen Ende sagte ich dann irgendwas, zu dem die Worte „ich als Künstlerin“ gehörten. Ich habe in dem Moment gleich gemerkt, wie sich bei meiner Freundin etwas zum Negativen veränderte. Sofort vermutete ich, dass meine Aussage ihr ein wenig Unwohlsein verursacht hatte. Du weißt ja, unser Bewusstsein macht nur 20% unserer Wahrnehmung aus, so wie beim sichtbaren Bereich eines Eisbergs. Wenn mir bewusst wird, dass ich etwas über jemand anderen denke, dann ist mein Unterbewusstsein schon vor 5 Minuten mit dem Unterbewusstsein des Anderen kollidiert. In diesem Fall stimmte das auch, denn es war nicht nur so, dass ich vermutet hatte, dass die Aussage „ich als Künstlerin“ da ein wenig problematisch war. Es folgte tatsächlich kurz darauf eine kleine Diskussion darüber, was das heißt und wer das sagen darf und was man damit meint, meinen soll und nicht meinen soll usw.

Kennst du das?

Ich schon. Ich bezeichne mich jetzt als Künstlerin, weil ich eigentlich außer Kunst nichts weiter tue. Du bist, was du am häufigsten tust – also bin ich Künstlerin. – Gut, ich könnte darauf auch verzichten und sagen, ich sei Soloselbständige oder Einzelunternehmerin. Das stimmt auch. Mich als kreative Marketingfrau zu bezeichnen, käme sogar auch hin, weil so viel meiner Zeit ins Marketing geht und gehen muss. Statt dessen sage ich aber, ich bin Künstlerin.

Was schwingt da mit? Warum ist das zum Teil so schwierig?

Hier ist meine Vermutung. Sie geht in zwei Richtungen. Beide haben mit den Aufladungen, die unsere Wahrnehmung und unser Denken über Künstler ausmachen, zu tun. Die erste ist: Künstler sind Taugenichtse, die wenig arbeiten und deswegen arm sind. Und die zweite ist: Künstler sind Genies und ganz besondere Menschen.

Siehst du den Widerspruch darin? Das eine erniedrigt die Künstlerin und macht aus der, die sagt „ich bin Künstlerin“ eine kleine blauäugige Person, die entweder den falschen Weg eingeschlagen oder den Schuss nicht gehört hat. Denn es ist ja keine gute Idee, Künstlerin zu sein. Es ist ja so schwer, damit Geld zu verdienen. Und selbst wenn du über die Runden kommst, was ist dann mit der Rente? Wie oft habe ich das schon zu hören bekommen!

Das andere überhöht Künstler und behauptet, sie seien ganz besondere Personen. Denn Künstler brechen die Regeln, sie denken und schaffen Dinge, die es vorher noch nicht gegeben hat, sie verändern die Gesellschaft, sie sind Genies. Sie stehen dabei allein und schaffen alles allein. Irgendwie sind sie befreit vom Herdentrieb. Ihre geniale Aufgabe als Künstler ist wichtiger. Sie stehen am Rand der Gesellschaft, aber nicht, weil keiner sie haben will, sondern weil sie schon ein wenig weiter sind als der Rest. Künstler sind Visionäre, Helden. Genies eben.

Demgegenüber behaupte ich meine Position, dass Künstler einfach Menschen sind, die viel arbeiten. Sie können sich „Künstler“ nennen, weil sie kreieren, weil sie etwas Künstlerisches schaffen. Es ist also eigentlich alles ganz praktisch. Mehr dazu kannst Du Dir hier anhören: Folge 35 – Das Problem mit der Aussage „ich bin Künstlerin“.