Es ist Sommer. Stell Dir vor, Du liegst am Strand und genießt die Sonne und die Ruhe. Dein Malzeug ist kompakt zusammengeschnürt in der Tasche, in der gerade noch die Handtücher waren. Die Aussicht ist sehr schön, auch einfach zu malen: der Horizont, oben der Himmel mit ein paar fernen Bergen davor, unten das Wasser und am Rand ein paar Felsen mit Bäumen. Ja, malen wäre schon fein, aber in der Sonne herumliegen ist jetzt wichtiger. Da kommt Dir die Idee, dass Du ja auch in Gedanken malen kannst. Welche Farben würdest du denn für die einzelnen „Stellen“ in deinem Bild nehmen? Du fängst im Himmel an, und zwar ganz oben. Was für ein Blau siehst du da? Es ist kräftig, aber sehr freundlich, blau, aber nicht kühl. Ist es Ultramarinblau? Nein, das ist zu dunkel und zu rotstichig. Ist es Bergblau? Hm, vielleicht, aber Bergblau kannst du ja auch für die fernen Berge nehmen. Außerdem ist es ein Mischpigment. Kobaltblau vielleicht? Für ganz oben, wo das Blau am intensivsten ist? Und dann ein feiner Übergang mit Coelinblau oder Cyan, weil der Himmel zum Horizont heller wird. Das kannst du von deiner Decke aus genau sehen, und die Urlaubsfotos der letzten Tage zeigen es sogar noch deutlicher: oben dunkel und intensiv, unten hell. So ist der Himmel, wenn die Sonne scheint. Kobaltblau also.
Kobaltblau ist das freundliche neutrale Blau, das ich so sehr liebe und in der Landschaftsmalerei nicht missen möchte. Es ist kein Ersatz für ein anderes Blau, sondern eins, dass ich zusätzlich brauche: für Himmel, für zarte Violetttöne, für natürliche Grüntöne, für granulierende Mischfarben und für ausdrucksstarke Herbstbilder. Ein Blau, das zum Träumen einlädt und das so luftig-leicht sein kann, wenn es lasierend aufgetragen wird, dass es in alten Fresken zur Darstellung von Luft verwendet wurde. Ein Blau, das modern ist und einfach zu verstehen, das keine tiefe Farbkomplexität aufweist wie Indigo oder Delftblau. Ein Blau, für das ich gern die Wörter ‚einfach‘ und ‚freundlich‘ verwende, das jedoch eine enorm lange Geschichte hat, die ins Alte Ägypten zurückreicht. Denn dort schon wurde Glas mit Kobaltsalzen blau eingefärbt und zu Pigment verrieben.
(Mehr zur Geschichte von Kobaltblau erfährst Du in der Podcastfolge über diese Farbe.)
Kobaltblau ist ein sehr lichtechtes, halbtransparentes bis transparentes und mäßig intensives blaues Pigment. Es färbt das Papier nur mäßig ein, das heißt, Techniken zum Entfernen von aufgetragener Farbe können gut zum Einsatz kommen. Die internationale Farbnummer lautet PB28, und auch nur PB28 ist das echte Kobaltblau. Ich sage das deshalb, weil es viele Imitate von Kobaltblau gibt, die mit Ultramarinblau PB29 und Phthalocyaninblau PB15 gemischt werden und die deswegen andere Eigenschaften besitzen, also beispielsweise das Papier enorm stark und sofort einfärben. Kobaltblau Nr. 1 von Mijello gehört dazu. Davon habe ich Dir einen Teststreifen aufgemalt. Es ist ein sehr schönes intensives Blau, aber es ist tatsächlich auch vom Farbton her kein Kobaltblau.
Kobaltblau in Mischungen ist ein Erlebnis. Die Violetttöne mit Magenta sind einfach wunderbar, aber Grüntöne und neutrale Farben lassen sich ebenso gut mischen.
Kleine Anregung
Am besten lässt sich Kobaltblau kennenlernen, wenn nur wenige andere Farben damit zusammen verwendet werden. Meine Empfehlung lautet daher, mal eine Weile mit einer reduzierten Palette, die von Diego Velázquez (1599-1660) inspiriert ist. Sie besteht aus Kobaltblau, Ockergelb (als Gelb) und Siena gebrannt (als Rot). Alternativ kannst Du auch Alizarinkarmesin als Rot verwenden. Die Bilder hier habe ich 2017 mit dieser Palette gemalt.
Wenn Du Dir zuerst einmal anschauen möchtest, wie die Farbkombination Deiner Wahl zusammen aussieht, empfehle ich, eine Mischmaterix zu erstellen. Sie kann 11 x 5 Kästchen groß sein. Wie genau Du beim Erstellen vorgehst, kannst Du in diesem Beitrag nachlesen.
Mehr zu Kobaltblau erfährst Du in Folge 102 des Aquarell Mal-Podcast!